Politik

Immer mehr Menschen äußern ihren Protest auf der Straße

Demonstrations-Kultur


Berlin, 18.11.2020 - Wasserwerfer (Quelle: Winfried Fundel)
GDN - Seit März 2020 finden bundesweit vermehrt Demonstrationen statt, welche die bestehende Demonstrations-Kultur gewissermaßen verändert haben. Immer mehr Bürger nehmen ihr Grundrecht auf Versammlung wahr, auch wenn diese aufgrund aktueller Verordnungen immer wieder von den Behörden verboten werden.
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht im Artikel 8, Versammlungsfreiheit: “(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden.“
Dieses beschränkende Gesetz ist seit März 2020 die jeweils aktuelle Fassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und die daraus resultierenden Maßnahmen der einzelnen Bundesländer.
Daraus resultierend sind bereits im April 2020 verschiedene Interessensgruppen entstanden, welche für die Grundrechte oder allgemein für die Aufrechterhaltung der Demokratie zunächst kleine Demonstrationen, oft Spontandemonstrationen, durchgeführt haben. Diese wurden von den lokalen Ordnungsämtern unter Mithilfe der Polizei zum Teil gewaltsam aufgelöst. Besonders in der Bundeshauptstadt Berlin schlug die Polizei immer wieder zu und nahm viele friedlich demonstrierende Bürger zur Aufnahme der Personalien in Gewahrsam.
Maßnahmen, bei denen ältere Mitbürger zum Teil von 3-4 Polizei-Beamten und zum Teil unter Anwendung von Gewalt, abgeschottet von weiteren 6-7 Beamten, überwältigt und abgeführt wurden, wurden damit begründet, dass sich diese nicht an eben jene Gesetze halten, gegen welche sie jedoch auf die Straße gingen. Dieses Vorgehen wurde von vielen als unverhältnismäßig eingestuft. Sicherlich war eine Konsequenz daraus, dass sich die Interessengruppen immer weiter organisiert haben und die Demonstrations-Veranstaltungen größer wurden.

Für eine bessere Demokratie gingen schon früher verschiedene Organisationen vornehmlich im Osten regelmäßig auf die Straße. So fanden dann auch in Stuttgart am 9. und 16. Mai 2020 zwei große Demonstrationen auf dem Cannstatter Wasen statt. Dieselben Organisatoren veranstalteten dann auch am 1. und 29. August 2020 in Berlin zwei denkwürdige Demonstrationen. Diese und viele weitere Bewegungen sind bis heute in sehr vielen Städten regelmäßig mit Demonstrationen oder Spaziergängen aktiv.
Aus eigener Beobachtung sind die Teilnehmer dieser Veranstaltungen eine breite Mischung aus der Bürgerschaft unseres Landes. Möge man sie der “Rechten“ der “Linken“ oder der “Mitte“ zuordnen, eines jedoch sind sie nicht: radikal. Zumindest nicht in ihrer Art zu demonstrieren. So war auch das Motto am 29.8.2020 in Berlin: “Fest für Friede und Freiheit“. Dennoch sind diese Veranstaltungen offensichtlich eine enorme Gefahr für unser Land. Auf eine andere Weise lassen sich die Maßnahmen gegen diese Demonstrationen nicht erklären.

Die Anmeldung, Versagung und gerichtliche Gestattung
Sehr schnell haben sich viele bedeutende Anwälte organisiert, um die Demonstrationen zu begleiten. In unserem Lande werden Demonstrationen angemeldet, mit den Behörden und der Polizei im Vorfeld besprochen und geplant. Diese Vorgehensweise birgt offensichtlich die Gefahr, besonders in Zeiten, bei denen laut Gesetz solche Veranstaltungen nahezu unmöglich zu organisieren sind, dass sie verboten werden. So war es immer wieder von Nöten, dass durch Eilanträge vor den Verfassungsgerichten die angemeldeten Demonstrationen gerichtlich durchgesetzt werden mussten. Dies dann meistens nur unter zum Teil nicht nachvollziehbaren Auflagen, wie z.B. Beschränkung der Teilnehmerzahlen.
Der Ablauf
Oft lange Diskussionen mit dem Einsatzteam der Polizei verzögerten den Start der Demonstrationen. Eine nahtlos durchlaufende Veranstaltung ist oft nicht möglich, da permanent versucht wird, aufgrund angeblicher Nichteinhaltung von Auflagen die laufende Demonstration aufzulösen. Dies ist auch des Öfteren genau so geschehen, wie auch bei der derzeit wohl bekanntesten Auflösung am 1.8.2020 in Berlin. An diesem Tag hatte der zuvor stattgefundene Aufzug durch Berlin einen reibungslosen Ablauf. Der Aufzug am 29.08.2020 hingegen wurde durch Einkesselung der Teilnehmer bereits am Startpunkt verhindert.
Meine Beobachtung auf einer Vielzahl von Demonstrationen unterschiedlicher Organisatoren haben gezeigt, dass die Teilnehmer nahezu ausnahmslos friedlich, mit zunehmender Dauer jedoch immer nachdrücklicher wurden. Selbst so genannte Durchbrüche durch Polizeiketten wurden mit Nachdruck und gewaltfrei durchgeführt. Dagegen war jedoch eine hohe Anzahl von Übergriffen der Polizeikräfte, gegenüber der Teilnehmer, wahr zu nehmen.
Von Provokateuren, Sicherheitskräften und den Medien
Am 18.11.2020 fand der Wasserwerfer-Einsatz in Berlin statt. Noch bevor die Wasserwerfer auf die Ebertstraße vor den Bundestag gefahren sind, bezog die breite Masse der Medienvertreter bereits mit Regenjacken und zum Teil mit Helmen ausgerüstet, an der Häuserzeile ihre Beobachtungspunkte ein. Bis auf den permanenten Aufruf der Polizei, die Straße zu räumen, gab es keinen ersichtlichen Grund, keinerlei Gewalt, der einen Einsatz der Wasserwerfer gerechtfertigt hätte. Und dennoch sind sie aufgefahren. Und urplötzlich gab es ein Gerangel. Rund 20 Polizeibeamten drückten in die Menschenmasse und wurden jedoch durch die stehende Masse wieder zum Rückzug gedrängt.

Es waren drei mutmaßliche Provokateure, die von mir und meinen Begleitern eindeutig auszumachen waren, die nun permanent versuchten, die Teilnehmer zum Durchbruch gegen die Polizeikette vor den Wasserwerfern zu bewegen. Die Durchsage der Polizei lautete nun auf einmal “Greifen Sie Ihre Polizeibeamten nicht an“. Aus der allgemeinen Stimmung war zu entnehmen, dass dies keiner der Teilnehmer ernsthaft im Sinn hatten. Und dennoch gelang es den drei Provokateuren eine kleine Gruppe an die Polizeikette zu lotsen, die dann sofort mit Tränengas angegriffen wurden, dem dann der Einsatz der Wasserwerfer folgte.

In diesen ca. 10 Minuten waren die Medienvertreter in höchster Aktion. Kurz nach Beginn des Einsatzes zogen sich alle bisher an dieser Stelle sichtbaren Medienvertreter nach getaner Arbeit direkt zurück. Ebenso die von uns beobachteten drei Provokateure zogen ab. Auf direkte Anrede meinerseits, ob ihr Ansinnen nicht so erfolgreich war, wie sie wollten, grinste der eine mich nur an, während die anderen beide eher bösartig reagierten. Mein erster Verdacht, dass es sich hier um die Antifa handelte, ist sehr unwahrscheinlich. Es ist sehr stark davon auszugehen, dass dies Kollegen der Einsatzbeamten waren. Diese Art der Vorgehensweise ist häufiger zu beobachten.
Die Beendigung einer Veranstaltung
Im Frühjahr 2020 in Stuttgart haben die Organisatoren die Demonstrationen eine Stunde lang mit Musik ausklingen lassen, damit die Teilnehmer geordnet und mit dem gebührenden Abstand von der Demonstrationsfläche abziehen konnten. Jedoch wurde die Vorgehensweise nach geplantem Ende, besonders nach aufgelösten Demonstrationen der Polizeikräfte immer härter. Durch die stoische Ruhe der Teilnehmer jedoch gab es zumindest von deren Seite keine nennenswerten Tätlichkeiten. Jedoch war immer häufiger zu beobachten, dass viele Teilnehmer zur Aufnahme der Personalien zum Teil mit Gewalt gezwungen wurden. Unter den Betroffenen oft Veranstalter, Mitglieder der Alternativen Medien, Anwälte und weitere Akteure, wie ehemalige Polizeibeamte.
Die Alternativen
Im Jahre 2020 fanden auch die so genannten "BLM" Demonstrationen in vielen deutschen Städten statt. Wie vor Ort beobachtet waren hier in Stuttgart bei weitem weniger Polizeikräfte im Einsatz als bei den vergleichbaren oben aufgezeigten Veranstaltungen. Da auf diesen Veranstaltungen sehr viele Akteure waren, die von Haus aus maskiert sind, war zumindest dies kein Verstoß gegen Auflagen, wobei ich auf Nachfrage bei den lokalen Behörden nicht herausfinden konnte ob auf diesen Veranstaltungen überhaupt Auflagen erlassen wurde. Zumindest wurden hier von ein paar wenigen Polizeibeamten keine Auflagen kontrolliert oder deren Einhaltung eingefordert.
Stuttgart, 06.06.2020 - BLM
Quelle: Winfried Fundel
Ob nun diese neue Art der Demonstrationen denselben politischen Erfolg haben werden, wie jene der “Fridays for Future“ oder "BLM"-Aktivisten ist fraglich, da letztere ins politische Bild passen und jene für "Frieden und Freiheit" offensichtlich nicht. Beide sind eher friedliche Veranstaltungen, wobei ein wesentlicher Unterschied zu erkennen ist. Bei “FFF“ oder “BLM“ stehen vor den Teilnehmergruppen professionelle Einpeitscher mit ihren Parolen während bei den Friedens- und Freiheitsdemonstrationen die Weitergabe wichtiger Informationen, begleitet von kulturellen Einlagen, im Vordergrund steht.
Mit den Demonstrationen für Friede und Freiheit, für die Grundrechte und gegen die aktuellen Maßnahmen der Regierung und Länder sind die alternativen Medien mit in den Vordergrund getreten. Ausführlichste Berichterstattung mit sehr langen Live-Streams und Interviews sowie Hintergrundberichten heben sich qualitativ massiv von den etablierten Medien ab. Durch diese detaillierte Dokumentation der Zeitgeschichte werden die oben aufgeführten Punkte auch klar nachvollziehbar sichtbar und führen somit die Kurzberichte der etablierten Medien regelrecht vor.
Es ist eine neue Kultur entstanden in der Art der Demonstrationen und in der Art der Berichterstattung darüber. Beides ist gemeinsam gewachsen und beides bringt immer mehr Menschen in die Situation, sich diese objektiven Informationen und Meinungen zu holen, welche sie in den etablierten Medien nicht bekommen. Diese alternativen Medien habe sich bereits etabliert und werden in Zukunft einen bedeutenden Platz einnehmen. Dies sicherlich auch dann, wenn die Demonstrationen eines Tages nicht mehr notwendig sein werden.
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